Schuldig, traurig, entschlossen und motiviert

Autor: Corinna Scharrenberg

Alina Morecraft aus den USA war von August 2020 bis Februar 2021 Teil des Missions- und Jüngerschaftstrainings MDT Love Europe. Anfang dieses Jahres war das MDT-Team bei einem Einsatz in Serbien, auf den Alina hier zurückblickt:

„Als wir uns auf die Reise vorbereiteten, hatte jeder von uns andere Erwartungen an das Flüchtlingslager. Wir mussten aber lernen, dass das Lager und die Arbeit dort ganz anders waren. Worauf wir allerdings nicht vorbereitet waren, waren die unmenschlichen Bedingungen im Lager. Obwohl es von der serbischen Regierung mit Hilfe des örtlichen OM-Teams betrieben wird, ist es schwer, diese Tausende bedürftige Menschen so unterzubringen, wie es sein sollte.

OM-Mitarbeiterin im Wäschezelt des Flüchtlingslagers in Serbien Der Standort des Lagers ist direkt neben einer Autobahn in einem heruntergekommenen Motel und drei Zelten. Die Quartiere sind eng und beengt und die Leute schlafen auf dünnen Matratzen mit einer einzigen Decke. Keines der Unterkunftszelte oder Motelzimmer ist beheizt, und es war definitiv kalt – auch während unseres Aufenthalts. Eines der Zelte ist das OM-Zelt, das in den Wintermonaten das einzige beheizte Zelt ist. Im OM-Zelt servieren die Mitarbeiter Tee und Kaffee. Das Zelt ermöglicht es, sich aufzuwärmen und Spiele wie Uno, Tischtennis und mehr zu spielen.

Als wir im Lager ankamen, wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe hatte eine Schicht, die aus sechs Stunden bestand. Ein Team kümmerte sich um die Wäsche der Flüchtlinge, was ein weiterer Dienst von OM in Serbien ist, und das andere Team verteilte Kaffee und/oder Tee. Neben dem Dienst im Kaffee-/Teezelt konnten wir uns mit den Flüchtlingen unterhalten und Spiele spielen.  

Die Wäscherei befindet sich in einem Teil des alten Motels. Die Flüchtlinge erhalten alle zwei Wochen Tickets, die einen Zeitabschnitt enthalten, wann ihre Wäsche gewaschen wird. Wenn sie diese Tickets einlösen, wird ihre Wäsche gewaschen und ihnen nass zurückgegeben. An diesen Tagen versuchen die Flüchtlinge, unabhängig von den Temperaturen draußen, so wenig wie möglich zu tragen.

Insgesamt war die Erfahrung für mich extrem augenöffnend. Als Deutsch-Amerikanerin, deren Vater nach Afghanistan ging und die Zerstörung und das Leid im Land sah, fühlte ich mich irgendwie mit diesen Menschen verbunden [da viele der Flüchtlinge aus Afghanistan kamen, Anmerkung der Redaktion]. Zugleich fühlte ich mich schuldig, traurig, entschlossen und motiviert. Auch musste ich mit meinem Vater sprechen und versuchen zu verstehen, welche Rolle er während seiner Zeit in Afghanistan gespielt hat. Ich musste es verstehen.

OM-Mitarbeiterin bei der Teeausgabe im Flüchtlingslager in Serbien Ich bin extrem dankbar, dass ich nach Serbien gehen und dort arbeiten konnte. Mir wurde klar, wie privilegiert ich bin und wie unterschiedlich das Leben sein kann, je nachdem, wo man lebt. Es war herzzerreißend, diese Menschen so hoffnungsvoll zu sehen – hoffnungsvoll in dem Aspekt, dass sie ein besseres Leben wollten. Doch tief im Inneren wussten wir, dass sie durch die Gesetze und oder illegalen Pushbacks* höchstwahrscheinlich nicht das Leben erreichen würden, von dem sie träumten. Einige dieser Menschen versuchten weiterzuziehen, wurden aber oft gefunden und zurückgebracht. Andere versuchen, geduldig auf den legalen Weg zu warten, auch wenn das bedeutet, jahrelang in diesem Lager sein zu müssen, fast ohne Hoffnung auf Asyl.

Der Besuch des Lagers machte mir klar, wie sehr mein Leben eine Blase war. Diese Erfahrung hat mich zum Besseren verändert, sie hat mir gezeigt, dass ich aus meiner Blase heraustreten muss. Ich möchte auch Sie ermutigen, aus Ihrer Blase herauszutreten und dort zu dienen, wo immer Sie können. OM in Serbien ist definitiv ein guter Ort, da sie Freiwillige brauchen. Wenn dies jedoch nicht möglich ist, dann beginnen Sie in Ihrer Heimatstadt. Es gibt immer einen Bedarf und Sie können die Menschen in Ihrer Umgebung erreichen.“

*häufig gewaltsames, illegales Zurückdrängen aus dem Schengen-Raum durch die jeweilige Grenzpolizei

Informationen zu den Kurzeinsätzen in Serbien gibt es hier oder unter shortterm.de@om.org

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